Gemäß § 86a StGB steht die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Deutschland unter Strafe. Unter Kennzeichen i.S.d. § 86a StGB fallen etwa Hakenkreuze, SS-Runen, der Hitlergruß und Ausrufe wie „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 86a StGB auf Computerspiele existiert bislang nicht. Als einzige obergerichtliche Entscheidung dient der Praxis daher noch immer das Anfang 1998 ergangene, in Fachkreisen fast schon berüchtigte, Urteil des OLG Frankfurt im Falle des bereits im Jahre 1992 erschienenen Ego-Shooters Wolfenstein 3D. Hier urteilte das Gericht, dass die Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen in Computerspielen strafbar ist und der Schutzzweck des Tatbestandes es gebiete, „dass in Computerspielen keine Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt werden“.
Seit den Entscheidungen zu Wolfenstein 3D ist die Computerspielindustrie in Deutschland darum bemüht, mit beträchtlichem Kosten- und Zeitaufwand jegliche verfassungswidrigen Symbole großräumig aus sämtlichen deutschen Versionen einschlägiger Videospiele zu entfernen. Dies betrifft zumeist Spiele, die in der Zeitepoche des Dritten Reiches angesiedelt sind, wie etwa sog. First-Person-Shooter oder sonstige Actionspiele, deren Handlung auf den Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs stattfindet (z.B. Call of Duty und Medal of Honor), aber auch Abenteuerspiele wie Saboteur oder die Spielependants zu der Filmreihe Indiana Jones.
Die restriktive Rechtsprechung des OLG Frankfurt mag bei Computerspielen auf dem Entwicklungsstand der frühen 1990er Jahre noch verständlich gewesen sein. Aus heutiger Sicht erscheint sie in dieser pauschalen Form jedoch nicht (mehr) angemessen. Seit der Entscheidung hat sich sowohl die Gesetzeslage als auch der Entwicklungsstand moderner Videospiele erheblich verändert. Entsprechend finden sich im einschlägigen Schrifttum fast nur kritische Stimmen zur Einzelfallentscheidung des OLG Frankfurt. Nahezu einhellig wird dabei ein generelles Verbot von verfassungswidrigen Kennzeichen in Videospielen, insbesondere im Vergleich zum Medium Film, wo derartige Symbolik regelmäßig erlaubt ist, abgelehnt.
Zur Lösung der Problematik wird insbesondere ein Weg über die sog. Sozialadäquanzklausel der §§ 86a Abs. 3, 86 Abs. 3 StGB vorgeschlagen.
Auch moderne Videospiele werden mittlerweile (ähnlich wie beim Medium Film) in aufwendigen Verfahren, teils über Jahre entwickelt. Dabei werden auf den verschiedenen Produktionsebenen die unterschiedlichsten Kreativkräfte künstlerisch tätig. Aus diesen Gründen sind Computerspiele unter Zugrunderlegung des offenen Kunstbegriffes als Werke der Kunst anzusehen. Dieser Wertung steht auch nicht entgegen, dass dadurch auch verfassungsfeindlichen Spielprogrammen Tür und Tor geöffnet wären. Denn in den allermeisten Fällen dürfte es sich bei solcherlei Spielen um bloße Amateurprogrammierarbeiten von geringer Qualität handeln, welche dem Kunstbegriff per se nicht unterfallen.
Fazit:
Das pauschale Verbot von verfassungswidrigen Kennzeichen in Videospielen dürfte heutzutage abzulehnen und nicht mehr zeitgemäß sein. Es verstößt in seiner Pauschalität gegen die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, welche über die Sozialadäquanzklausel des § 86a StGB in die Bewertung der Tatbestandsmäßigkeit Einzug erhält.
Henrik Barthen